Verhängnisvolle Identitäten
"Positive Diskriminierung und kulturelle Säuberungen sind zwei Seiten derselben Medaille"
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lienIm Identitätsstreit, der unsere Gesellschaften erschüttert, erregt eine politische Maßnahme große Aufmerksamkeit: die positive Diskriminierung. Einige sehen darin einen wirksamen Hebel für die Integration von Diskriminierungsopfern. Andere (einschließlich des Verfassers dieser Zeilen) sehen darin eine Maßnahme, die Gleichheit und Verdienst untergräbt und bisher nur mittelmäßige, wenn nicht gar schädliche Ergebnisse hervorgebracht hat. Um ihre Argumente zu schärfen, verweisen alle auf die Vereinigten Staaten, wo diese Politik schon lange genug in Kraft ist, um die Untersuchung ihrer Auswirkungen zu ermöglichen.
Aber wer weiß schon, dass positive Diskriminierung vor knapp hundert Jahren zum ersten Mal in der entstehenden Sowjetunion getestet wurde? Dass die Bolschewiki entgegen ihrer universalistischen Ideologie die positive Diskriminierung zu einem Kontrollinstrument von Minderheiten gemacht hatten? Ein Instrument, das sich schließlich gegen sie wandte und das Arbeiterparadies vor dem Hintergrund ethnischer Rivalitäten in den Ruin führte. Was heute in der Ukraine und im Kaukasus geschieht, steht unter dem Zeichen dieser Identitätsbesessenheit.
Als privilegierter Zeuge der letzten Jahrzehnte der UdSSR enthüllt Vitaly Malkin einen wenig bekannten Teil dieser tragischen Geschichte. Und zieht daraus einige aufschlussreichen Lehren für die heutigen Gesellschaften, die ihrerseits nun auch in die gefährliche Spirale der widerstreitenden Identitäten hineingezogen werden.
"Ich bin unter Genosse Stalin geboren, in der ehemaligen Sowjetunion. In meiner Jugend lief die Propaganda auf Hochtouren, um das Scheitern eines Projekts zu vertuschen, das von Anfang an von seinen ideologischen Voraussetzungen verurteilt war. Die wachsenden Ähnlichkeiten zwischen jener Zeit und heute bereiten mir Sorgen.“